Die drei Säulen des Karate-Trainings: Kihon, Kata, Kumite


Kihon

Kihon (jap. 基本) ist eine der Trainingsmethoden beim Karate und wird wohl am meisten mit den Begriffen „Grundschule“ oder „Basistraining“ ins Deutsche übersetzt. Es beinhaltet das intensive Training der wichtigsten Abwehr-, Schlag- und Fußtechniken, die durch ständiges Wiederholen zu einer idealen, aber auch natürlichen Bewegung verinnerlicht werden sollen.

Beim Karate der Stilrichtung Wadō-Ryū werden primär 6 Grundschultechniken trainiert, die teilweise noch mit einer Fußtechnik kombiniert werden. Auch andere Techniken werden geübt, aber auf diesen sechs Techniken liegt besondere Aufmerksamkeit. Auf diese Weise werden die Bewegungsprinzipien im Karate intensiv einstudiert.


Die Details des Kihon – Stand, Körperzentrum, Koordination, Atmung

Es beginnt beim Kihon damit, den besten Stand für eine Technik zu finden, der einen optimalen Schwerpunkt, eine sichere Balance, aber auch eine bestmögliche Beweglichkeit und somit eine maximale Kraftübertragung ermöglicht. Der Stand ist das Fundament einer jeden Technik, wenn dieser nicht sicher und stabil ist, kann auch keine optimale Technik ausgeführt werden.

Das Zentrum unseres Körpers liefert die Energie, um eine Technik mit höchster Effizienz auszuführen. Eine Fausttechnik etwa erhält ihre Wirkung nicht durch Muskelkraft aus den Armen oder aus der Schulter, es ist vor allem das Körperzentrum, was hierfür benutzt wird. Aus einer Rotation der Körpermitte bzw. durch eine vertikale Bewegung des Körpers wird die Energie geholt, um eine effektive Faust- oder Fußtechnik auszuführen.

Ergänzend kommt natürlich die richtige Armführung bei Handtechniken und die richtige Koordination der Beine bei Tritten hinzu. Hier wird eine gleichförmige Bewegung angestrebt, die auf direktem Weg ins Ziel gebracht wird. Dabei ist die Armmuskulatur stets entspannt (die Energie kommt ja aus der gleichzeitigen Körperbewegung), lediglich im Ziel wird z.B. die Faust kurz einer maximalen Anspannung überlassen. Der richtige Wechsel von An- und Entspannung sind ein wichtiger Bestandteil einer jeden Karatetechnik.

Alle Bewegungen laufen synchron zur Atmung ab. Bereits in der Ruhephase wird kurz eingeatmet und mit der Bewegung beginnt das Ausatmen, welches kontinuierlich bis zur Beendigung einer Technik anhält. Schließlich beginnt dieser Atemzyklus wieder von vorne.

Alle diese aufgeführten Einzelheiten zu koordinieren, klingt sehr umfangreich und das ist es auch. Typisch für alle japanischen Kampfkünste ist das ständige Wiederholen der Techniken oder der Bewegungsabläufe in jeder Trainingsstunde. Das mag auf Dauer auf einige etwas monoton wirken, für andere ist es aber wie eine Art Meditation in Bewegung: Da wir uns so auf alle Details konzentrieren müssen, vergessen wir die Außenwelt und können vom Alltag abschalten. Karate ist immer zeitgleich geistige und körperliche Beschäftigung.


Fotos von Links nach rechts: Von Junzuki rechts (migi) zu Junzuki links (hidari) und wieder zu Junzuki rechts:


Die Anwendung – Selbstverteidigung, Sportkarate

Die Techniken des Kihon sind für den heutigen Alltag nicht unbedingt geeignet, sich in einer Notsituation verteidigen zu können. Darum geht es aber auch nicht. Die Bewegungsprinzipien sollen verinnerlicht werden: Stand, Schwerpunkt, Balance, Kraftquelle, Atmung – all das sind existenzielle Dinge, der eigentlich Fauststoß oder der Fußtritt ist dann eher Nebensache.

Sind die oben aufgeführte Details verinnerlicht, laufen die Techniken „automatisch“ ab. Zugegeben, Karate bedeutet ein lebenslanges Üben der Techniken, aber ab einem bestimmten Zeitpunkt werden die Bewegungen reflexartig ausgeführt. Mit der Verinnerlichung der Bewegungsabläufe können andere Techniken schnell erlernt werden, so dass auch Anwendungen des Karate, wie Selbstverteidigung oder das Sportkarate darauf adaptiert werden können.


Kata

Kata (japanisch: 形 oder traditioneller 型; wörtlich „Form“) ist ein japanisches Wort, das allgemein in den japanischen Kampfkünsten detaillierte und vorgegebene Bewegungsmuster beschreibt.

Im Karate werden Kata überwiegend einzeln geübt. Sie bestehen aus einer vordefinierten Reihenfolge verschiedener Abwehr- und Angriffstechniken, Ausweichbewegungen und Richtungsänderungen, wodurch der Praktizierende an verschiedene Verteidigungs- und Angriffssituationen herangeführt werden soll. Eine Kata ist dabei allerdings nicht als Darstellung eines Scheinkampfes gedacht, sondern als Methode, um die Techniken zu üben sowie die Übergänge zwischen den einzelnen Techniken möglichst fließend auszuführen.

Historisch gesehen ist Kata die wichtigste Trainingsmethode im Karate, denn es war über Jahrhunderte die einzige Art, die Kampfkunst vom Lehrer zum Schüler zu vermitteln.


Die Kata in der Stilrichtung Wadō-Ryū

In den verschiedenen Karate-Stilen existieren teilweise die gleichen Kata, allerdings mit unterschiedlichen Techniken und Konzepten. Im Wadō-Ryū werden primär vier wichtige Kata (sogenannte Meisterkata) praktiziert, die die Prinzipien dieser Stilrichtung umfassen und vermitteln: Jede Bewegung beinhaltet gleichzeitig eine Änderung der Stellung oder eine Gewichtsverlagerung des Körpers. Bei der Ausführung aller Bewegungen sollen folgende Fehler vermieden werden: Keine falsche oder überflüssige Technik, keine überflüssige Bewegung, kein überflüssiger Kraftaufwand.

Aus der Meisterkata „Kushanku“ wurden fünf Schüler-Kata für Anfänger entwickelt. Sie heißen „Pinan Kata“. Jede dieser fünf Pinan Kata beinhaltet unterschiedliche zu vermittelnde Schwerpunkte:

Die erste Kata ist die Pinan Nidan, die aus einfachen Angriffs- und Abwehrtechniken besteht, wo Fuß und Armtechnik jeweils mit derselben Seite ausgeführt wird. Körper- bzw. Hüftrotation sind relativ klein. Aus diesem Grund ist diese Kata gut dafür geeignet, als erstes von Anfängerinnen und Anfängern praktiziert zu werden.

Die zweite Kata ist die Pinan Shodan, die sehr viele Gegenbewegungen enthält, sprich, Bein und Armbewegung sind häufig gegenläufig (wie zum Beispiel Grundschultechnik „Gyaku-Tsuki“) oder eine Armtechnik wird durch eine gegensätzliche Hüftdrehung (wie bei „Shuto“, die Abwehrtechnik mit der Handkante) unterstützt.

Die dritte Kata ist die Pinan Sandan, die aus Bewegungen und Techniken besteht, bei der die Armtechniken mit einer gleichseitigen, großen Hüftdrehung ausgeführt wird.

Die vierte Schüler-Kata ist die Pinan Yondan (oder auch Yodan). Sie vereint die Bewegungsprinzipien der Pinan Shodan und der Pinan Sandan, so dass beide Arten der Koordination zwischen Körperdrehung und Technik geübt wird. Die Pinan Yondan ist der Meister-Kata „Kushanku“ am nächsten.

Die fünfte und letzte Pinan Kata ist die Pinan Godan. Sie ist im Vergleich zu den anderen Schülerkata auffällig anders und beinhalten schnelle Rotationen. Zusätzlich enthält diese Pinan Kata Bewegungen, die gleichzeitig ein Zurückweichen und ein Hineingehen in den Gegner symbolisiert, was typisch für Wadō-Ryū-Karate und für japanische Kampfkünste allgemein ist. Diese Kata beinhaltet dazu Elemente aus der Meisterkata „Chinto“, eine der wichtigsten Kata im Wadō-Ryū.

Je nach Erfahrung eines Karate-Schülers oder Schülerin werden unterschiedliche Kata geübt. Zuvor erlernte Kata werden wiederholt, um diese zu intensivieren und die eigene Bewegungen weiter zu verbessern. Es ist üblich, dass Schüler bei Gürtelprüfungen jede gelernte Kata wiederholen, jedoch auf einem verbesserten Qualitätsniveau.


Kihon Kumite

Kumite im Karate

Kumite (japanisch: 組手) allgemein sind im Karate Partnerübungen, also Trainingsmethoden, die nicht alleine, sondern zu zweit geübt werden. Die erste Trainingsmethode „Kihon“ (Grundschule) vermittelt uns das richtige Ausführen einer Technik, als nächste Stufe folgt „Kata“ (Form), wo diverse Techniken zu einer vorgegebenen Abfolge kombiniert sind. Auf diesen Methoden baut das „Kumite“ auf, wo mit einem Partner zusammen geübt und das zuvor Erlernte angewandt wird.

Die bereits im Kihon und Kata erlernten Grundprinzipien (korrekter Stand, Schwerpunkt, Balance, das Zentrum als Kraftquelle, richtige Atmung) gelten natürlich auch beim Kumite, wobei hier noch die richtige Distanz zum Partner und das Timing hinzukommen. Um dies zu vermitteln, beginnt der Karate-Anfänger mit leichten Partnerübungen, die aus einfachen Angriffs-, Abwehr- und Kontertechniken bestehen. Je erfahrener ein Karateka wird, desto umfangreicher werden die Partnerübungen.


Kihon Kumite – die Anwendung im Wadō-Ryū-Karate

Kihon Kumite besteht aus 10 Partnerübungen und ist eine besondere Trainingsform im Wadō-Ryū Karate.

Alle Übungen folgen einer vorgeschriebenen Choreographie. Nach dem gemeinsamen Verbeugen „Rei“ (japanisch: 礼) geht der Angreifer stets einen Schritt vor und der Verteidiger immer mit dem linken Fuß zurück. Der Angreifer attackiert mit mindestens zwei Techniken, die der Verteidiger auf drei mögliche Arten – und diese sind markant für die Stilrichtung Wadō-Ryū – abwehrt, wobei die Energie des Angriffs ausgenutzt oder neutralisiert wird. Dies geschieht entweder durch seitliches Ausweichen, so dass der Angriff ins Leere läuft, durch Umlenken des Angriffs, so dass dieser sein Zeil verfehlt und unwirksam wird oder durch ein Zuvorkommen, in dem der Verteidiger den Angreifer durch einen schnelleren Gegenangriff zuvorkommt. Eine finale Kontertechnik des Verteidigers beendet die Übung. Beide Partner gehen einen Schritt zurück, nehmen ihre Ausgangsposition wieder ein und verbeugen sich zum Schluss.


Die Fortführung des Kihon Kumite – Idori, Tanto Dori, Jiyu Kumite

Im Wadō-Ryū-Karate werden neben dem Kihon Kumite noch weitere Partnerübungen trainiert. Aus dem Jiu Jitsu, also den alten Kampfkünsten der Samurai, stammt u.a. das „Idori“. Hier sitzen sich die beiden Partner gegenüber. Die Abwehr eines Angriffs wird auch hier mit den o.g. Grundprinzipien durchgeführt, jedoch erschwert die sitzende Haltung die Verteidigung. Diese Partnerübungen beinhalten zusätzliche viele Würfe und Hebel.

Ebenfalls aus dem Jiu Jitsu stammt „Tantō Dori“, eine weitere Form der Partnerübungen. Tanto bedeutet Messer. Hier wird also nicht mehr mit einer Fuß- oder Armtechnik angegriffen, sondern mit einem Messer. Der Verteidiger ist unbewaffnet. Bei diesen Partnerübungen sind Distanz und Timing besonders relevant.

Die freie Partnerübung ohne Absprache zwischen den Partnern nennt sich Jiyu Kumite (japanisch:自由組手). Hier wird zusätzlich noch Reaktionsvermögen und ein möglichst großes Repertoire an Techniken in der Anwendung trainiert. Diese Partnerübung findet auch im Training bei Fortgeschrittenen statt. Jiyu Kumite wird bei Gürtelprüfungen gezeigt und als Wettkampfform „Kumite“ ausgeführt.